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Freispruch in den Niederlanden nach Sterbehilfe

medstra-News 55/2019

In den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe seit dem 1.4.2002 unter gewissen Voraussetzungen legal. Damals wurde in Artikel 293 des niederländischen Strafgesetzbuches, der eine dem deutschen § 216 StGB vergleichbare Regelung enthält, ein zweiter Absatz eingefügt, der besagt: „Die in Absatz 1 genannte Handlung ist nicht strafbar, wenn sie von einem Arzt begangen wurde, der dabei die in Artikel 2 des Gesetzes über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung genannten Sorgfaltskriterien eingehalten […] hat“ (hier die Übersetzung der DG Palliativmedizin)Die Kriterien hierfür sind streng: unter anderem muss ein Patient unerträglich und aussichtslos leiden, selbst ausdrücklich um Sterbehilfe gebeten haben und ein zweiter Arzt hinzugezogen werden.


Nun musste sich zum ersten Mal eine niederländische Ärztin vor Gericht verantworten, wie u.a. die Tagesschau berichtet: Sie hatte bei einer an Demenz erkrankten Frau Sterbehilfe geleistet. Die Patientin hatte nach ihrer Diagnose im Jahr 2012 eine Patientenverfügung verfasst, in der sie festhielt, bei Fortschreiten der Krankheit lieber sterben zu wollen als in einem Pflegeheim zu leben. Bei Verfassen der Patientenverfügung sei die Patientin auch noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen, wie die Richterin im Prozess feststellte.


Die Staatsanwaltschaft warf der Ärztin allerdings vor, nach der Aufnahme in ein Heim im Jahr 2016 nicht mehr das Gespräch mit der Patientin gesucht zu haben. Diese habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr eindeutig hinsichtlich ihres Sterbewunsches geäußert. Angesichts der besonderen Situation hatte die Staatsanwaltschaft zwar eine Verurteilung, allerdings ohne Strafmaß gefordert.


Das Strafgericht lehnte eine Verurteilung allerdings ab: Bei der Aufnahme ins Pflegeheim sei die Patientin bereits schwer dement gewesen. Die Ärztin, die sich im Übrigen alle vorgesehenen Verfahrensschritte sorgfältig auseinandergesetzt habe, habe die Patientin daher nicht mehr nach ihrem aktuellen Sterbewunsch befragen müssen. Das Urteil gilt als wichtiges Signal für den Umgang mit Sterbehilfe bei dementen Patienten.


Verlag C.F. Müller

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