Logo C.F. Müller
Koalitionsvertrag: Zahlreiche Reformen im Medizinstrafrecht geplant

medstra-News 83/2021 vom 9.12.2021

Am Dienstag, den 7. Dezember 2021 haben SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag unterzeichnet, der die Basis für die Regierungsarbeit der nächsten vier Jahre bilden soll. In dem Dokument sind auch zahlreiche Vorhaben für den Gesundheitsbereich und insbesondere für das Medizinstrafrecht niedergelegt.

So sollen verstärkt digitale Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal vermittelt werden. Konzepte wie Videosprechstunden oder telenotärztliche Versorgung sollen „regelhaft“ ermöglicht werden; die Einführung der elektronischen Patientenakte soll beschleunigt werden.

Die Koalition möchte zudem für eine bessere Verfügbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen sorgen. Zu diesem Zweck sollen einerseits Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden. „Gehsteigbelästigungen“ von Abtreibungsgegnern sollen wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegengesetzt werden. Die flächendeckende Verfügbarkeit von Beratungseinrichtungen soll sichergestellt werden, unter anderem dadurch, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung auch online stattfinden kann. § 219a StGB schließlich soll gestrichen werden.

Insgesamt soll eine Kommission eingesetzt werden, die sich mit reproduktiver Selbstbestimmung und Reproduktionsmedizin beschäftigt. Diese soll prüfen, inwieweit Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des StGB reguliert werden können und welche Möglichkeiten für eine Legalisierung von altruistischer Leihmutterschaft und der Eizellspende bestehen. Abgesehen davon will die Koalition klarstellen, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium nicht strafbar sind und den elektiven Single Embryo Transfer (eSET) zulassen. Zudem soll künstliche Befruchtung unabhängig von einer medizinischen Indikation, dem Familienstand oder der sexuellen Identität gefördert werden können und der Bund dazu zunächst 25 Prozent der Kosten übernehmen.

Auch eine Wende in der Drogenpolitik ist vorgesehen. So soll Cannabis kontrolliert zu Genusszwecken an Erwachsene abgegeben werden können. Durch diese Abgabe in lizenzierten Geschäften soll die Qualität besser kontrolliert werden können und für einen verbesserten Jugendschutz gesorgt werden. Nach vier Jahren sollen die Maßnahmen evaluiert werden. Zusätzlich dazu sollen Drugchecking und andere „Maßnahmen der Schadensminderung“ ermöglicht und ausgebaut werden.

Die Koalition plant zudem, Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung besser zu schützen, indem bestehende gesetzliche Umgehungsmöglichkeiten des Gesetzes zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung beseitigt werden. Auch die in § 5 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen vorgesehenen strafrechtlichen Ausnahmen sollen aufgehoben werden und überprüft werden, ob ein Verbot von Konversionsbehandlungen auf Erwachsene ausgedehnt werden kann.

In Sachen Sterbehilfe sieht der Koalitionsvertrag keine konkreten Schritte vor, sondern „begrüßt“ es lediglich, wenn das Thema „durch zeitnahe fraktionsübergreifende Anträge (…) eine Entscheidung zugeführt wird“.

 


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite