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Neuregelung zur Triage geplant

medstra-News 16/2022 vom 15.3.2022


Wie aus einer Formulierungshilfe der Koalitionsfraktionen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen hervorgeht, sollen die jüngsten Vorgaben des BVerfG zur Vermeidung von Benachteiligungen behinderter Menschen bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen künftig im Infektionsschutzgesetz (IfSG) umgesetzt werden.

Dazu soll ein neuer § 5c IfSG eingefügt werden, der die wesentlichen Kriterien für eine ärztliche Entscheidung über die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern benennt. Der Entwurf sieht vor, derartige Entscheidungen künftig nur unter Berücksichtigung des Patientenwillens sowie der Dringlichkeit der Behandlung und der aktuellen, kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten vorzunehmen. Weitere Erkrankungen oder eine etwaige Gebrechlichkeit des Patienten dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie aufgrund ihrer Schwere oder Kombination die Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich verringern. Zudem muss eine Zuteilungsentscheidung von zwei Fachärzten mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin einvernehmlich getroffen werden, die den Patienten unabhängig voneinander begutachtet haben. Besteht kein Einvernehmen zwischen den Ärzten, wird eine gleichwertig qualifizierte dritte Person hinzugezogen.

Der Entwurf betont, dass vorrangig alle Anstrengungen unternommen werden müssten, um den Fall pandemiebedingt nicht ausreichender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten gar nicht erst eintreten zu lassen. Nur soweit dies krisenbedingt nicht gelinge, greife die Regelung. Flankiert wird die Änderung des IfSG von mit der Bundesärztekammer abgestimmten neuen Ausbildungsinhalten bei ärztlichen Fort- und Weiterbildungen, durch die das Risiko unbewusster Stereotype bei der Behandlung von Menschen mit Behinderungen nachhaltig reduziert und mehr Fachwissen zu behinderungsspezifischen Besonderheiten aufgebaut werden soll.

Hintergrund der Neuregelung ist die Entscheidung des BVerfG von Dezember 2021 (Az. 1 BvR 1541/20), nach der der Gesetzgeber dafür Sorge tragen müsse, „jede Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam“ zu verhindern. Bei der konkreten Ausgestaltung komme ihm allerdings ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.


Verlag C.F. Müller

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