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Saarländischer Pathologe wegen fehlerhafter Krebsdiagnosen verurteilt

medstra-News 77/2022 vom 22.7.2022

Das Landgericht Saarbrücken hat am 19. Juli 2022 einen 63-jährigen Pathologen wegen schwerer Körperverletzung, fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Arzt zwischen 2016 und 2019 in seinem Institut in St. Ingbert fehlerhafte Krebsdiagnosen mit erheblichen Gesundheitsfolgen für seine Patienten gestellt habe. Durch gravierende Fehler bei der Auswertung von Gewebeproben seien nicht notwendige Behandlungen und Eingriffe, wie u.a. Chemotherapien, Brust-, Darm- und Gesichtsoperationen, vorgenommen worden. Mitunter wurde einer Patientin ohne Indikation der Großteil ihres Oberkiefers entfernt. Ein anderer Patient verstarb an einer Sepsis infolge einer nicht erforderlichen Darmoperation.

Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft stellte das Gericht jedoch keinen Vorsatz bzgl. der objektiv feststellbar falschen Diagnosen fest. Nach Angaben des Angeklagten, der ausgesagt hatte, von der großen Zahl von Gewebeproben überfordert gewesen zu sein, sei davon auszugehen, dass er bei seinen Einschätzungen auf einen „guten Ausgang“ vertraut habe. In zwei weiteren Fällen wurde der Angeklagte zudem freigesprochen. Weiter stellte das Gericht aufgrund einer Suchterkrankung eine verminderte Schuldfähigkeit fest.

Die angegebene Überforderung seitens des Angeklagten ist dabei besonders brisant, da dieser bereits im Juni 2020 wegen Betrugs in 17 Fällen sowie wegen Bestechung im Gesundheitswesen in 97 Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Um mehr Umsatz zu machen, hatte er Fachärzten Geld gezahlt, damit sie Gewebeproben vorzugsweise in seinem Institut untersuchen ließen. Die Strafe dieses Urteils wurde in der nun ergangenen Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt.

Trotz des noch nicht rechtskräftigen Urteils hat der Fall bereits weiter Kreise gezogen. Anfang März hatte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken den Präsidenten der saarländischen Ärztekammer wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die Suchterkrankung des Pathologen der Approbationsbehörde verschwiegen und so „billigend in Kauf genommen [zu] haben, dass Patienten auf Grund unterlassener und nicht indizierter Behandlungen zu Tode kommen würden.“ (vgl. bereits medstra-News 14/2022 v. 8. März 2022)


Verlag C.F. Müller

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