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Mögliche EU-Rechtsverstöße bei Legalisierung von Cannabis?

medstra-News 98/2022 vom 20.9.2022

Nachdem sich die derzeitige Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen, laufen derzeit die Vorbereitungen für das Gesetzgebungsverfahren. Der Bundesdrogenbeauftragte, Burkhard Blienert (SPD), hatte einen Gesetzentwurf für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres angekündigt.

Anfang September hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages nunmehr in drei verschiedenen Gutachten analysiert, inwieweit sich die Legalisierung von Cannabis als unvereinbar mit geltendem Unionsrecht darstellen könnte. Im Mittelpunkt der Analyse stand Art. 2 Abs. 1 lit. a) des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, wonach unter anderem das Herstellen, Anbieten, Verkaufen, Liefern sowie Ein- und Ausführen von Drogen von den EU-Mitgliedern unter Strafe zu stellen ist, solange diese als vorsätzliche Handlung ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen werden. Auch das vorsätzliche, unberechtigte Anbauen von Cannabispflanzen ist nach dem Rahmenbeschluss unter Strafe zu stellen, gleiches gilt für den Besitz oder den Kauf der Drogen. Laut dem Beschluss müssen die Mitgliedstaaten gegen die genannten Straftaten „mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen“ vorgehen.

Zudem wird in dem Bericht auf rechtliche Hürden hingewiesen, die aus dem Schengenprotokoll erwachsen könnten. Danach sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die „unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabisprodukten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden.“ Die Experten des Wissenschaftliche Dienstes weisen zudem darauf hin, dass die Niederlande nicht als Vorbild für Deutschland gelten könnte, um die zu befürchtenden Rechtsverstöße zu umgehen. Dort gelte weiterhin das „Opiumgesetz“, welches den Anbau, Verkauf und Besitz von Cannabis unter Strafe stelle. Lediglich Besitz und Verkauf kleinerer Mengen seien zwar „formalrechtlich illegal“ aber „de facto entkriminalisiert“ worden, indem sie im Rahmen einer Toleranzgrenze nicht verfolgt würden. Anbau und Erwerb größerer Cannabismengen seien jedoch weiterhin vollständig kriminalisiert.

Die Bewertung des Berichts fällt unterschiedlich aus. CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger sieht in den Ausarbeitungen den klaren Beweis, dass die vorgesehene Legalisierung von Cannabis nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Zudem dürfe eine Duldung wie in den Niederlanden für Deutschland keine Option sein. Hingegen müssten der Jugendschutz sowie die Bekämpfung des Schwarzmarktes in Deutschland „oberste Priorität“ besitzen. Die digitale Rechtszeitschrift Legal Tribune Online (LTO) sieht in dem Gutachten der Juristen des Bundestages hingegen lediglich eine Dokumentation der rechtlichen Hürden, die die Ampel-Regierung überwinden müsse, um im Gesetzgebungsverfahren eine Vereinbarkeit mit internationalem Recht herzustellen und zugleich eine erste Einschätzung, ob dies gelingen könne.

Laut einem Sprecher prüfe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) derzeit die Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes und beziehe diese in die Erwägungen zum Gesetzgebungsverfahren mit ein. Man sei jedoch zuversichtlich, eine Lösung zu finden, die im Einklang mit internationalem Recht stehe.


Verlag C.F. Müller

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