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Mordprozess gegen Pfleger aufgrund nicht indizierter Medikamentengabe

medstra-News 9/2023 vom 31.1.2023

Seit dem 24. Januar 2023 muss sich ein Pfleger des „Klinikums rechts an der Isar“ vor dem Landgericht München I in einem Mordprozess verantworten. Die Staatsanwaltschaft München I wirft dem Beschuldigten vor, im Jahr 2020 Mord in zwei Fällen Mord und in 6 weiteren Fällen versuchten Mord an verschiedenen Patienten und Patientinnen begangen zu haben. Laut Anklage spritzte der 26-jährige Pfleger auf einer sogenannten Wachstation, einer Zwischenstation zwischen Intensiv- und normaler Station, den Opfern nicht indizierte Beruhigungsmittel, Adrenalin oder Blutverdünner, um diese nach eigenen Angaben „ruhigstellen zu wollen.“ Zwei 80 und 89 Jahre alte Patienten starben. Bei seinem Vorgehen hatte der Angeklagte selbst starke Beruhigungsmittel eingenommen und mit den Folgen eines vor Schichtbeginn stattgefunden Alkoholexzesses gekämpft. Dabei habe er nach eigenen Angaben keine Kenntnis über die genaue Dosierung der vergebenen Medikamente gehabt, da er kein ausgebildeter Krankenpfleger sei, sondern Altenpfleger. Bereits bei Prozessauftakt legte der Pfleger ein umfangreiches Geständnis ab, beteuerte aber seine fehlende Tötungsabsicht. In Kauf genommen, dass etwas passieren könne, habe er hingegen schon. 

Nach Angaben des Pflegers sei es ein Leichtes gewesen, im Krankenhaus unbemerkt an die Medikamente zu gelangen und diese danach selbst einzunehmen oder zu verabreichen. Sogar eigene Medikamentenbestellungen habe er aufgeben können. Zudem gab der Angeklagte zu, regelmäßig massiven Alkoholkonsum vor seinen Schichten betrieben zu haben, was seinen Vorgesetzten nicht verborgen geblieben sei. Zudem sei er mehrfach beim Schlafen erwischt worden, statt seine Patienten und Patientinnen zu behandeln. Insgesamt, führte der Angeklagte aus, sei er zum „größten Teil“ seinen Pflegeaufgaben nicht nachgekommen und habe mitunter Messwerte gefälscht, um nicht tätig werden zu müssen. Die Staatsanwältin sprach von einem „von Eigensucht getriebenen und nur auf sein eigenes Wohlbefinden konzentrierte[n]“ Agieren des Angeklagten. Er habe die „Machtposition“ gegenüber den zu Pflegenden genossen.

Das Münchner „Klinikum rechts an der Isar“ zeigte sich „bestürzt“ über die Vorwürfe und gab mittels einer Sprecherin an, dass das Universitätsklinikum strenge Verfahrensanweisungen zu Medikamenten habe und diese nur in autorisierten Ausnahmefällen von Pflegekräften bei der hauseigenen Apotheke bestellt werden könnten. Die Bestellungen erfolgten digital und passwortgeschützt. Inwieweit der Angeklagte über eine solche Ausnahmegenehmigung verfügte, ließ die Klinik offen. Zudem wurde von der Sprecherin auf die in dem Klinikum geltende Null-Toleranz-Grenze bei Alkohol im Dienst hingewiesen. Nach Bekanntwerden der Fälle im Jahr 2020 habe das Krankenhaus seine „internen Sicherheitsregularien und Kontrollmechanismen noch einmal verschärft.“


Verlag C.F. Müller

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