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Ampelkoalition legt Mitglieder der Expertenkommission zur Überprüfung der §§ 218 ff. StGB fest

medstra-News 20/2023 vom 1.3.2023

Nachdem im Koalitionsvertrag von den Ampelparteien SPD, GRÜNE und FDP bereits vorgesehen war, dass „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs“ innerhalb der Legislaturperiode einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen sind, haben sich die drei Fraktionen nunmehr auf die Besetzung der 18-köpfigen Kommission verständigt, die sowohl das Recht des Schwangerschaftsabbruchs auf eine mögliche verfassungskonforme Entkriminalisierung als auch die Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft überprüfen soll.

Das Gremium setzt sich laut übereinstimmenden Medienberichten aus 15 Expertinnen und 3 Experten aus dem medizinischen, ethischen und juristischen Bereich zusammen. 

Als Vertreterinnen der Medizin werden hierbei zunächst Stephanie Wallwiener, Gynäkologin und Sektionsleiterin der Geburtshilfe und Perinatalzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg, Katharina Hancke, stellvertretende Klinikdirektorin und Leiterin des Kinderwunsch- und Hormonzentrums der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Ulms und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer sowie Bernhard Strauß, Psychoanalytiker und Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Gruppentherapie und Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie der Universitätsklinik Jena, genannt. 
Ferner gehört der Kommission die Medizinethikerin und Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität zu Köln Christiane Woopen an, die sowohl ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats war, bereits im Auftrag der Bundesärztekammer Stellung zu Schwangerschaftsabbrüchen und Pränataldiagnostik bezog und schließlich bis Ende 2007 dem christlich geprägten Verein „donum vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens e. V.“ als Mitglied des Bundesvorstands angehörte. Weiterhin ist neben Sigrid Graumann als Professorin für Ethik im Fachbereich Heilpädagogik und Pflege an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und Mitglied im Ethikrat auch Claudia Wiesemann als Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen in der Kommission vertreten. Während sich Graumann im Ethikrat aktuell mit den Fragen der Leihmutterschaft und Eizellenspende beschäftigt, hat Wiesemann bereits eine siebenjährige Mitgliedschaft im Ethikrat sowie in der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) inne. Außerdem wird das Gremium durch Marika Böhm, Inhaberin der Professur für Sexualwissenschaft und Familienplanung an der Hochschule Merseburg sowie Daphne Hahn als Gesundheitswissenschaftlerin an der Hochschule Fulda unterstützt. Letztere untersucht derzeit im Projekt „Elsa“ die Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren. 

Zu den Vertretern der Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler zählt zum einen die Professorin für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales an der Hochschule Hannover sowie Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes Maria Wersig, deren Verein schon im Dezember 2022 ein Papier zur Reform des Abtreibungsrechts ausgearbeitet hatte, welches eine Neuregelung außerhalb des Strafgesetzbuchs in einem Schwangerschaftskonfliktgesetz vorsieht. Ebenfalls soll mit Frauke Brosius-Gersdorf eine Professorin für Öffentliches Recht und Verfassungsrecht an der Universität Potsdam und ehemaliges Mitglied in der ZEKO einen Platz im Gremium einnehmen, die das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a a.F. StGB im Rahmen eines Gutachtens schon 2020 als verfassungswidrig eingeordnet hatte, bevor dieses vom Bundestag im letzten Jahr letztendlich aufgehoben wurde. 

Weiterhin nehmen Paulina Starski, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg, Bettina Weißer, Direktorin des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht der Universität zu Köln, Liane Wörner, Professorin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung, Medizinstrafrecht und Rechtstheorie an der Universität Konstanz, Susanne Lilian Gössl, Direktorin des Instituts für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, Ute Sacksofsky, Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und Professorin am Institut für öffentliches Recht der Universität Frankfurt, Friederike Wapler, Lehrstuhlinhaberin für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht an der Universität Mainz sowie Tobias Helms, Professor für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Magdeburg, die weiteren Plätze im Expertengremium ein. Schließlich ist der Medizinrechtler Jochen Taupitz, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim, Bestandteil der Kommission, der schon zwischen 1995 und 2022 Mitglied und ab 2016 Vorsitzender der ZEKO war und zudem gegenwärtig im Ethikrat vertreten ist.

Gegenüber dem SPIEGEL äußerte der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass man die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ mit 18 „hochdekorierten“ Fachleuten besetzt habe, welche die „äußerst schwierigen Fragen“ beleuchten sollen, „ob ein Schwangerschaftsabbruch auch außerhalb der jetzt geltenden Gesetze möglich sein soll, ob Eizellspenden legalisiert werden und ob wir Leihmutterschaft erlauben“. Die hierdurch aller Voraussicht nach ausgelöste kontroverse Debatte erfordere „alle Seiten dabei mitzunehmen und dann zu einem gesellschaftlichen respektierten Konsens zu kommen“, so Lauterbach hinsichtlich des Ziels und der Arbeitsweise des Expertengremiums. Insbesondere „die politische Entscheidung komplexer ethischer Fragen“ bedürfe nach Ansicht des Bundesgesundheitsministers einer „guten wissenschaftlichen Basis“. 

Die Expertenkommission soll noch vor Ostern ihre Arbeit aufnehmen und im Laufe eines Jahres Ergebnisse liefern, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein verfassungsfestes Modell zur Streichung von § 218 StGB möglich ist. Ein erstes Termintreffen ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums „demnächst“ geplant. Wann ein Zusammentreten der neu gebildeten Kommission tatsächlich auf der Agenda steht, ist wegen zunächst gemeldeter Schwierigkeiten in der Terminfindung bislang aber noch offen.


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