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Ambivalente Stellung der Ärzteschaft zur Legalisierung von Cannabis

medstra-News 45/2022 vom 5.5.2022

Nachdem bereits in Deutschland seit 2017 medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung legal erworben werden kann, planen die Regierungsparteien der Ampel-Koalition den Konsum von Cannabis allgemein zu legalisieren. Laut dem Koalitionsvertrag soll die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften eingeführt werden,“ um die Qualität des Rauschmittels zu kontrollieren sowie einen besseren Jugendschutz zu gewährleisten. Nach einer Testphase von vier Jahren sollen Folgen und Ergebnisse evaluiert werden.

Die Ärzteschaft erkennt jedoch auch Gefahren, die mit der Legalisierung verbunden sein könnten. Der Konsum von Cannabis vor allem durch junge Erwachsene steige in den letzten Jahren. „Von den 12-bis 17-jährigen Jugendlichen haben 10,4 % und von den 18- bis 25-jährigen Erwachsenen 46,4 % Cannabis zumindest einmal ausprobiert“, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrem Bericht zur Drogenaffinität.

Der 125. Deutsche Ärztetag erklärte im vergangenen Jahr, dass die gesundheitlichen Probleme, die mit der Legalisierung von Cannabis einhergehen, unterschätzt würden. Negative Folgen und Langzeiteffekte des Cannabiskonsums für Kinder und Jugendliche seien in der Diskussion dringend zu beachten. Empirische Daten zu dieser Gefahreinschätzung lieferte der Professor für Psychiatrie Maximilian Gahr von der Universitätsklinik Ulm. Nachdem deutschlandweit Daten des Cannabiskonsums der letzten Jahre ausgewertet wurden, lautete das Ergebnis seiner Forschung, dass zwischen den Jahren 2000 und 2018 in Deutschland ein erheblicher Anstieg von stationären Krankenhausbehandlungen wegen cannabisinduzierten psychischen Störungen zu verzeichnen gewesen sei. Nach Angaben Gahrs könne von einer Verfünffachung der relativen Häufigkeit stationär eingelieferter Fälle gesprochen werden, die absolute Häufigkeit sei sogar um den Faktor 6 angestiegen. Die Aufenthalte in Kliniken, die auf Alkoholabhängigkeit und Schizophrenie zurückzuführen sind, befinden sich hingegen in den letzten Jahren auf einem stabilen Niveau. Dennoch warnt Gahr von einer Stigmatisierung der Konsumenten, wenn es beim Verbot von Cannabis bleibe. Haftstrafen aufgrund des Konsums kleinerer Mengen führten zu einer Abwertung der Biografien junger Menschen.

Die Professorin Kirsten Müller-Vahl, Psychiaterin und Neurologin an der Medizinischen Hochschule Hannover sieht hingegen in dem Legalisierungsvorhaben eine positive Entwicklung. Das Verbot von Cannabis habe gezeigt, dass es nicht ausreiche, die Bevölkerung und vor allem Jugendliche vor dem Rauschmittel zu schützen. Vor allem verunreinigtem Cannabis, welches auf der Straße verkauft werde, hafte ein immenses gesundheitliches Risiko an. Sie begrüße daher den Vorschlag der Ampel-Koalition, mit lizenzierten Abgabestellen dem Schwarzmarkt die Geschäftsgrundlage zu entziehen und eine strikte Altersgrenze von 18 Jahren für den Cannabiskonsum einzuführen. 

Von Seiten der Polizei wird dies jedoch bezweifelt. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, nimmt an, dass trotz des regulierten Verkaufs von Cannabis auch weiterhin ein Schwarzmarkt für die Droge fortbestehen würde. Angesichts der steigenden Konsumentenzahlen räumt jedoch auch Malchow ein, dass das Verbot bisher nicht die erwartete Wirkung erzielen konnte.


Verlag C.F. Müller

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