Logo C.F. Müller
Modellprojekt zur Genomsequenzierung innerhalb der Regelversorgung für 2024 geplant

medstra-News 76/2023 vom 25.7.2023

Im Jahr 2024 soll ein Modellprojekt anlaufen, das zum Ziel hat, den diagnostischen und therapeutischen Einsatz von Genomsequenzierungen in der Regelversorgung für onkologische und seltene Erberkrankungen fruchtbar zu machen. Im Zuge des Vorhabens wird Nutzungsberechtigten in einer sicheren Arbeitsumgebung mittels vorgeschlagener Datendienste eine automatisierte Verarbeitung genomischer und klinischer Daten zur medizinischen Versorgung und Forschung ermöglicht. Der Datenabgleich soll über Plattform genomDE abgewickelt werden. Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz schuf der Gesetzgeber bereits im Juli 2021 mit § 64e SGB V die rechtliche Grundlage für das Modellvorhaben. 

Die Ansetzung des Projekts war ursprünglich für Januar 2023 angedacht, jedoch bedarf es weiterer Klärung hinsichtlich einiger ethischer, regulatorischer und sicherheitstechnischer Fragstellungen. Der Geschäftsführer der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF), Sebastian Semler, kritisierte die gesetzliche Grundlage. Sie werde dem hohen Regelungsbedarf nicht gerecht und setze für die Umsetzung eine zu kurze Frist. Die für das Projekt vorgesehene Plattform genomDE sei für die Ziele des Gesetzes nicht optimal eingerichtet. Fragen der einheitlichen Einwilligung, des Datenschutzes, der Datenharmonisierung, einer praktikablen Dateninfrastruktur sowie eines optimalen Informationsmanagements für Betroffene seien noch sicherzustellen.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) reagierte bereits auf die vorgebrachte Kritik und kündigte eine Überarbeitung des Paragrafen an. Geplant sei die Dateninfrastruktur mit dezentraler Datenhaltung bei den Leistungserbringern, Genomrechenzentren und klinischen Datenknoten zu verbessern, um die datenschutzrechtlichen und fachlichen Anforderungen zu erfüllen. Die Kontrolle und Leitung der Dateninfrastruktur soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen, die Vertrauensstelle am Robert-Koch-Institut (RKI) verbleiben. § 64e SGB V soll im Laufe des Jahres 2023 novelliert und ein konkreter Entwurf in Kürze im Rahmen eines laufenden Gesetzgebungsprozesses in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden. 

Nisar Malek vom Deutschen Netzwerk für Personalisierte Medizin (dnpm) des Universitätsklinikum Tübingen sieht in der Harmonisierung der Prozesse die größte Hürde des Projekts. Die Kliniken würden sonst im Netzwerk „Äpfel mit Birnen und Pflaumen und Kirschen“ vergleichen. Die Plattform genomDE soll zudem an den europäischen Datenraum angebunden werden, um bereits in anderen europäischen Ländern vorhandene Netzwerke für Genommedizin zu nutzen.

Mit der zentralisierten Datenverwertung über genomDE wird zudem die Gesamtgenomsequenzierung (WGS) von Patienten erleichtert. Laut Olaf Rieß, Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und angewandte Genomik in Tübingen, konzentriere man sich bisher in der Onkologie auf sog. Panel-Sequenzierung, die eine größere Tiefe der Sequenzierung der betrachteten Gene ermöglichen, dabei jedoch lediglich Informationen über die angesteuerten Gensequenzen offerieren. Gesamtheitlicher werde der Blick auf möglicherweise schädigende Genmutationen durch die WGS. Dementsprechend ist auch Malek überzeugt, dass die WGS die Zukunft in der Genommedizin sei.


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite